Ultima VI - The false prophet
Nach der ultimativ langen Wartezeit von fast zwei Jahren geht Richard Garriotts „Opus Ultimativus" nun auch auf dem Amiga weiter. Und endlich bekommt die Rollenspieler-Gilde, was sie verdient – den unumstrittenen Höhepunkt des Genres!
Wenn ein neuer Teil der Ultima-Saga ansteht, ist das ja eigentlich immer ein Grund, ein Fass aufzumachen; nicht umsonst gilt die Serie als das Nonplusultra im Reich der Krieger und Magier. Trotzdem, Ultima VI ist etwas Besonderes innerhalb des Besonderen: Inhaltlich markiert es das Ende des sogenannten zweiten Zyklus, äußerlich den Beginn einer neuen Grafik-Epoche...
Großmeister Garriott (alias Lord British) hat sich endgültig von der Ära der Tile-Grafik verabschiedet, Britannia erstrahlt nunmehr in farbenfrohen und detailliert gezeichneten Landschaften. Und weil der fleißige Weltenschmied schon mal beim Überarbeiten war, hat er auch gleich noch die Darstellungsweise vereinheitlicht – ob Häuser, Dungeons oder freie Wildbahn, alles ist jetzt aus einer leicht schrägen Vogelperspektive zu sehen. Untermalt wird die Grafik-Orgie von einem sehr atmosphärischen, auf Mittelalter getrimmten Soundtrack. Die Steuerung wurde ebenfalls gründlich renoviert und nahezu volständig auf Mausbetrieb umgestellt. Bloß beim Speichern und Reden mit anderen Personen muß man noch aufs Keyboard zurückgreifen, für alle anderen Betätigungen (Schauen, Nehmen, Kämpfen, Schlafen...) klickt man einfach das entsprechende Icon am unteren Screenrand an.
Wie gewohnt kann es die Story an Spannung aufnehmen, es warten Monate voller Überraschungen und Entdeckerfreuden sowie ein Finale mit Paukenschlag. Daher wollen wir hier auch nicht allzuviel verraten (wäre echt ein verbrechen!), gut informierte Abenteuer wissen dank der PC-Version ja ohnehin schon Bescheid. Für die anderen, glücklicheren, nur soviel: Das Hauptproblem besteht diesmal darin, daß die mysteriösen Gargoyles die heiligen Schreine der Tugenden besetzt halten. Warum das so ist, weiß kein Mensch, ja, über diese merkwürdigen Wesen ist ganz allgemein so gut wie nichts bekannt. Keine Sorge, am Ende seid Ihr schlauer. Aber bis dahin warten noch ungezählte Mini-Missionen, die der Party von einzelnen Landbewohnern angetragen werden. Die Handlungsfreiheit ist dabei maximal, denn die Kleinquests können ganz nach Lust und Laune absolviert werden.
Dazu braucht man natürlich eine Abenteuergruppe, die Charaktererstellung findet erneut im Zigeunerwohnwagen statt. Anfangs befehligt man vier Helden, weitere vier Freiplätze sind für Neuzugänge vorgesehen. Direkt vom Spieler zu steuern ist dabei nur der Avatar, die anderen laufen computergesteuert mit. Deshalb sind sie aber noch lange keine „Mitläufer", im Gegenteil, die Kerle erzählen Witze, mischen sich ungefragt bei Gesprächen ein und entwickeln überhaupt ein bemerkenswertes Eigenleben. Das gilt uneingeschränkt auch für all die übrigen Figuren, die den Screen verunsichern: Rund 200 NPCs arbeiten, feiern, streiten und erzählen dummes Zeug – sie leben einfach! Damit nicht genug der Spieltiefe, es liegen (fast) mehr verwendbare Gegenstände herum, als auf der Inventurliste eines großen Kaufhauses zu finden sind...
Die Moongates funktionieren prima wie eh und je, das Magiesystem wurde gegenüber den Vorgängern drastisch vereinfacht. So muß man seine Sprüchlein jetzt nicht mehr umständlich zusammen mischen, sondern braucht bloß noch den gewünschten Spell im (erst zu findenden) Zauberbuch anzuklicken. Ebenso einfach funktioniert der Umgang mit dem Inventory oder das Kämpfen und Reden, ohne daß deswegen auch nur ein Milligramm an Komplexität verloren ginge. Beim (wie üblich weniger wichtigen) Hauen und Morden kann man verschiedene Kampfmodi von „Berserk" bis „Retreat" einstellen; bei Begegnungen der etwas kommunikativeren Art läßt sich nun ein Help-Modus benutzen, wodurch wichtige, also nachhakenswerte Begriffe im Redeschwall des Gegenübers optisch hervorgehoben werden. Kurz und sehr gut: Lord British hat erwartungsgemäß ein höchst ausgetüfteltes Rollenspiel auf die Beine gestellt, bliebe bloß zu klären wie ausgetüftelt speziell die Amiga-Konvertierung ausgefallen ist. Nun, die hübsch animierte Grafik, der tolle Sound und die geniale Steuerung unterscheiden sich lediglich in Nuancen von der VGA-Fassung - alles vom Feinsten, sogar an Portrait-Bildchen für weibliche Recken wurde diesmal gedacht. Der Preis, den man dafür zahlen muß, ist die nicht erhebliche Installationsdauer. Das gilt sowohl für den Disk – (vier leere Scheiben bereithalten!) als auch für den sehr zu empfehlenden Festplattenbetrieb. Außerdem benötigt man mindestens 1MB Arbeitsspeicher, dabei müssen aber sämtliche Zweitlaufwerke abgehängt werden. Wesentlich angenehmer wird das Handling mit 2MB und zusätzlicher Floppy, eine Turbokarte wäre sicher auch nicht verkehrt. Unsere Handhabungsnote bezieht sich daher salomonisch auf eine „mittlere" Konfiguration (Harddisk oder 2MB Speicher plus Zweitläufer), bei einer Minimalausstattung darf man wegen der Wechselei gut und gerne 20 bis 30 Prozent abziehen. Aber wer Ultima kennt und liebt, weiß daß er an diesem Spiel sowieso nicht vorbeikommt, selbst wenn er dafür erst mal seine „Freundin" aufrüsten muß. Mit Englsichkenntnissen sollte man ebenfalls gut gerüstet sein, denn von einer geplanten deutschen Version war zwar schon gerüchteweise zu hören, aber nichts Genaues weiß man nicht. Zudem müßte man darauf ja noch länger warten, und gewartet haben wir auf das „britische" Prachtstück nun wirklich lange genug! (mm) Amiga Joker, April 1992 |
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hinzugefügt: May 11th 2013
Magazin: AJ
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Sprache: german